Tuesday, May 2, 2017

Auszug aus: "Spiele der Völker, Eindrücke und Studien auf einer Weltfahrt nach Afrika und Ostasien" von 1919

 

GAUKLER IN PEKING

Der chinesische Gaukler arbeitet nicht gern allein, sondern schließt sich mit anderen zu einer Gruppe zusammen: zu einer sogenannten Familie. Wie bei uns die Akrobaten. Ältere und jüngere Männer und Kinder aller Größen — niemals Frauen —  bilden eine bis ins kleinste und letzte geregelte Gemeinschaft und treten immer nur so vor das Publikum. Und zwar begnügen sie sich nicht damit, allerlei auf illusionistische Wirkung ausgehende Fertigkeiten zu zeigen, sondern führen eine bunte Folge von Taschenspielereien, akrobatischen Exerzitien und Jongleurkunststücken vor.
Es sind wirkliche Gaukler, diese Chinesen. Im besten und alten Sinne des Wortes. Nach Art unserer Seiltänzertruppen etwa, die besonders früher von Messe zu Messe zogen und die Leute mit körperlichen Übungen zu unterhalten suchten. Wenn auch um vieles bescheidener als die orientalischen Artisten, deren schwierige Tricks durchweg in höchster Vollendung ausgeführt werden. Eine chinesische Gauklertruppe füllt also einen ganzen Unterhaltungsabend aus und leistet an sich schon ein Varieteprogramm. Mit der besondern Eigentümlichkeit, daß sie den Ablauf der Kunst- stücke in Dialog kleidet. Es wird bei ihren Experimenten fortwährend, und zwar schnell und temperamentvoll gesprochen, was dem Ganzen einen neuen Reiz verleiht. Kurz vor dem einzelnen Trick pflegt man das Gerede dann bis zur größten Leidenschaftlichkeit zu steigern und plötzlich abzubrechen, so daß eine wirksame Luftpause entsteht, die jedoch nur von kurzer Dauer ist. Nach wenigen Sekunden schon setzt das Zwiegespräch wieder ein, das auf diese Weise die eine Nummer aus und gleichzeitig die nächste anklingen läßt. Irgendeiner aus der Truppe arbeitet: zaubert etwas hervor oder macht sonst ein Kunststück. Und die anderen helfen: beim Spiel selbst, als Handlanger, und dann vor allem bei der Täuschung und Ablenkung des Publikums, was von den Chinesen mit ganz besonderm Raffinement betrieben wird. Obwohl sie schon als Artisten über eine  außerordentliche Geschicklichkeit verfügen, legen sie doch alles darauf an, den Zuschauer obendrein noch hinter das Licht zu führen. Deshalb gelingen ihnen auch ganz ausgefallene Sachen mit unfehl- baren Wirkungen. Ich bin in meinem Leben noch nicht so verblüfft gewesen, wie hier bei den chinesischen Illusionisten. Ich kam mir immer wie genarrt vor. Das Prinzip dieser Leute ist offenbar, den Zuschauer nicht zu Atem kommen zu lassen, ihn abwegig zu beschäftigen und dadurch zu zerstreuen, das heißt seinen Willen nach Möglichkeit auszuschalten und jede Konzentration zu verhindern. Deshalb führen sie Theater auf und suchen den einzelnen durch allerlei Wortwitze und Anekdoten und nicht zuletzt durch den Charme ihrer reizvollen Persönlichkeit zu fesseln. Deshalb bringen sie auch Kinder mit, die ja immer und bei allen Völkern nett und liebenswürdig sind und schon an sich interessieren, also ablenken. In all dem lebhaften und lauten Brim- borium, mit denen die Chinesen ihre Tricks begleiten, steckt eine bewußte Tendenz zur Unsachlichkeit. Ehe man an das einzelne Experiment herangeht, wird eine Fesselung der Sinne und des Intellekts vollzogen. Der Gaukler sieht in seinen Zuschauern nicht nur eine an sich unbeteiligte Masse, der man ohne weiteres allerlei hübsche Geschichten vormachen will, sondern geradezu einen Gegner, und zwar einen sehr gefährlichen. Sie sind ihm Subjekt und Objekt zugleich. Er macht sie zunächst willfährig und richtet sie dann zur Aufnahme des einzelnen Kunststücks noch ganz besonders her. Durch regelrechte und wohlüberlegte Attacken, die mit dem Erzielen größter Neugierde am Ausgang des einzelnen Tricks die systematische Verdummung des Publikums als letztes Ziel haben. Ein höchstes Maß von Verbohrtheit im Augenblick des Experiments. Zu diesem Zweck hat der chinesische Gaukler seine Zwie- gespräche nach verschiedenen Richtungen hin durchgebildet und hand- habt sie mit bemerkenswerter Virtuosität und sicherer Wirkung. Er beschreibt entweder der Reihe nach, was er gerade ausführt, und tut so im Grunde etwas ganz Überflüssiges. Oder er teilt die Aufgabe mit, die er zu lösen beabsichtigt, oder läßt sich von einem andern dieses oder jenes Experiment bitten und bezweifelt dann, daß er es fertig bringt. Das mangelhafte Vertrauen in das artistische Können des einzelnen ist überhaupt ein beliebtes Motiv des Dialogs. So kommt es häufig vor, daß sich zwei oder drei Mitglieder der Truppe abseits über den Trick des gerade Arbeitenden unterhalten und seinen glücklichen Verlauf ernstlich bezweifeln. Wenn er dann doch gegelingt, äußern sie naives Erstaunen, beglückwünschen den Betreffen- den und wissen sich vor Freude nicht zu fassen. Dann wieder sehen die anderen interessiert und verwundert zu, was der Kollege für Vorbereitungen trifft. Sie können sich gar nicht denken, wohin das alles führen soll, und sind dann ganz begeistert, wenn ihm irgendein eleganter Effekt gelingt. Manchmal wird auch ein Experiment dadurch eingekleidet, daß der eine dem andern der Reihe nach die einzelnen Verrichtungen vorsagt und der Trick selbst auf diese Weise scheinbar ohne Willen des Ausführenden zustande kommt. Natürlich muß der dann das Resultat jedesmal pflichtschuldigst bestaunen. Die gerade Zusehenden spielen überhaupt gern die Naiven. Sie tun dann entweder so, als ob sie sich über die Leistungen des arbeitenden Kollegen nicht genug wundern können oder als ob sie ihm das Letzte doch nicht recht zutrauen. Zum Beispiel tritt einer der Nichtbeschäftigten nach irgendeinem Kunststück schüchtern näher und meint, daß dies ja gewiß schon etwas ganz Außerordentliches gewesen sei und ihn in höchstes Entzücken versetzt habe — daß er sich aber aus der Praxis eines längst verstorbenen und einstmals sehr berühmten Gauklers an noch viel Schwierigeres erinnere, dessen Bewältigung, wie er bestimmt glaube, heute keiner mehr fähig wäre. Natürlich läßt sich der andere daraufhin das Experiment beschreiben und führt es sofort in größter Vollendung durch. Und schließlich wird auch in China noch eine beliebte Methode unserer Zirkusclowns benutzt. Wenn jemahd aus der Truppe irgend- eine Aufgabe gelöst hat, die sich besondern Beifalls erfreuen durfte, tritt sofort ein anderer an den Tisch und behauptet, er könne noch etwas viel Besseres. Und das zeigt er dann schleunigst vor. Wie mir Eingeweihte erzählten, soll der Dialog dieser Gaukler übrigens durchaus nicht so harmlos sein, wie er sich für Fremde anhört. Die Leute sind aber so lustig und guter Dinge dabei, linben so unschuldige Mienen aufgesteckt und bringen alles so charmant und selbstverständlich heraus, daß man ihnen die Zweideutigkeiten gar nicht zutraut, womit sie ihre Rede zu verzieren pflegen. Aller- dings meist in witziger und stets in verblümter Weise. Die chine- sische Sprache ist durch Doppelsinnigkeit vieler Worte und Wort- gruppen zur Verbrämung der mündlichen Rede mit verkappten An- züglichkeiten besonders geeignet. Wenn der Dialog der chinesischen Gaukler auch in erster Linie den Zweck hat, die Zuschauer einerseits von den tatsächlichen Ver- richtungen abzulenken und andererseits zum Kunststück selbst hin- zuführen und die Spannung zu erhöhen, so wollen sie auf diese Weise doch vor allem Zeit gewinnen, um den neuen Trick vorzubereiten. Denn Pausen gibt es bei ihren Vorführungen nicht. Ein Experiment folgt unmittelbar dem andern. Schon nach kurzer Zeit lösen sich die Artisten ab. Der Chinese ist überhaupt sehr für Abwechslung. Er kann auf allen Gebieten öffentlicher Lustbarkeit jedesmal große Men- gen vertragen und zeigt hier eine unermüdliche Hingabe und Dank- barkeit. Nur darf die einzelne Aktion nicht zu lang geraten. Sie soll vorüberfliegen. Hast und Lärm genieren den Chinesen nicht. Im Gegenteil. Er fordert sie sogar. Je lauter und unentwegter die Geschäftigkeit, desto angenehmer und wohliger wird ihm. So sind immer nur einige Gaukler im Zimmer. Einer arbeitet, während zwei oder drei andere zusehen und den Dialog führen. Der Rest läuft zwischen draußen und drinnen hin und her, um die nächsten Nummern vorzubereiten und die entsprechenden Apparate vom Flur herein- zuschmuggeln. Die ganze Truppe ist in fortwährender Betriebsam- keit. Man weiß nie, was die einzelnen gerade zu tun haben. Offenbar geschehen die maßgebendsten und gefährlichsten Handgriffe in dem Augenblick, wo die Zuschauer gerade über ein gelungenes Experi- ment in Erstaunen geraten: sich ansehen, ihrer Empfindung lauten Ausdruck geben, den betreffenden Gaukler beglückwünschen oder ermuntern und was dergleichen mehr ist. Denn kurz vor dem Trick kommen stets einige der gerade draußen Befindlichen wieder herein, und unmittelbar nachher ist jedesmal eine besonders lebhafte Be- wegung in der ganzen Truppe. Ich sah die ersten chinesischen Gaukler im Bahnhofshotel von Shanhaikuan, wo der Tagespostzug von Mukden nach Peking über Nacht liegen bleibt. Da die kleine chinesische Provinzstadt weiter keine Anregungen bietet, läßt der Wirt den zu unfreiwilligem Auf- enthalt gezwungenen Reisenden auf diese Weise über die Abendstun- den hinweghelfen. Schon diese Leute machten ihre Sache aus- gezeichnet. Noch besser war aber die Truppe, die wir uns in Peking ins Haus kommen ließen. Sie bestand aus vier Männern und drei Kindern. Ein etwas älterer Herr von ruhigem und sympathischem Wesen leitete das Ganze mit liebenswürdiger Sicherheit. Er ist der Lehrer der anderen und trägt das wirtschaftliche Risiko. Er selbst gibt jedes- mal nur eine einzige, besonders schwierige und besonders interessante Nummer zum besten. Im übrigen hat er die Verbindung mit dem Publikum herzustellen, seine Wünsche entgegenzunehmen und an die verschiedenen Mitglieder der Truppe zu leiten. Nach ihm weiß zunächst ein dummer, aber lustig dreinschauender dicker Kerl unser Interesse zu erregen. Der Clown des Ensembles, der in erster Linie den Dialog zu stützen und das Publikum auf seine Person ab- zulenken hat, was er durch die komische Ungeschicklichkeit seiner Bewegungen und durch eine pfiffige Mimik auch recht gut zuwege bringt. Technisch kann er nicht sonderlich viel und wird deshalb zu selbständigen Leistungen kaum herangezogen. Dafür muß er den beiden ersten Artisten der Truppe die nötigen Handreichungen machen : zwei jüngeren, außerordentlich tüchtigen Leuten, von denen der eine als ausgezeichneter Illusionist, der andere daneben noch als vorzüglicher Akrobat und beide als hervorragende Jongleure auftreten. Sie bestreiten den Hauptteil des Programms und würden durch die fabelhafte Geschlossenheit ihrer Leistungen und durch die lässige Eleganz ihres Auftretens im größten europäischen Variete- theater Sensation machen. Dazu kommen dann noch drei Knaben verschiedenen Alters: zwei kleinere und ein größerer. Die beiden jüngsten eröffnen den Abend mit ein paar einfachen, aber tadellos durchgeführten Zaubereien und haben dann noch hin und wieder eine Füllnummer. Sie sind famos abgerichtet, leisten ihre Sachen mit verblüffender Sicherheit und werden von den Erwachsenen mit so gütiger Laune behandelt, daß uns ihre verhältnismäßig ein- fachen Experimente viel Freude machen. Das peinliche Gefühl, das man so leicht bei artistischen Produktionen von Kindern hat, kommt hier nicht auf. Die Chinesen sind überhaupt sehr kinderlieb und gehen auf drollige Art mit den Kleinen um. Als einer der beiden Jungen im Laufe der Vorstellung auf dem Sofa eingeschlafen ist, stört man ihn nicht weiter und läßt seine Nummern einfach ausfallen. Gegen Schluß des Abends kriecht er dann plötzlich unter einer auf dem Boden ausgebreiteten Decke hervor. Mit ganz verdutztem Gesicht und ver- schlafenen Augen. Man hatte ihn gelegentlich unter die Decke bug- siert, ohne daß er dabei aufgewacht war. Die Exerzitien des dritten und größten Kindes, das nahezu die Leistungen der beiden jungen Männer erreicht und vor allem halsbrecherische akrobatisch-equili- bristische Kunststücke macht, sind allerdings zum Teil so schwierig, daß der bleiche Junge unser Mitleid erregt. Der chinesische Gaukler arbeitet im Gegensatz zum indischen ganz ohne Mystik. Er läßt es, auch bei seinen unbegreiflichsten Kunststücken, stets mit der ihm und seinen Zuschauern vertrauten Wirklichkeit sein Bewenden haben und zitiert niemals den Beistand höherer Mächte. Kurz vor der Auslösung der Tricks spricht er wohl hin und wieder seine Zauberformel „Cen-dang-len" aus, aber auch nur dann, wenn ihm gar nichts anderes einfällt. Die Dinge gehen bei ihm alle natürlich zu. Und er wünscht ausdrücklich, daß man davon überzeugt ist. Während der indische Gaukler mit Vorliebe Handfertigkeitssachen ausführt oder mystische Beschwörungs- probleme zu lösen scheint, bleibt der um vieles nüchternere Chinese ganz auf dem Boden seines Handwerks, das er meisterhaft beherrscht und das ihm alles bietet, um selbst die größten Ansprüche des Publikums zu befriedigen. Als wertvollste Requisiten nützt er dabei seinen langen Rock, seinen breitbeinigen Gang mit den ausladenden Gesten und Bewegungen und vor allem seine Nervenlosigkeit, die ihm allein schon die Hegemonie unter den Artisten aller Völker sichert. Aber auch sonst unterscheiden sich die indischen Gaukler grund- sätzlich und wesentlich von den chinesischen. Der Inder verfügt in erster Linie über eine große manuelle Geschicklichkeit, mit deren Hilfe er jedesmal eine Reihe geistvoller und origineller Kunststücke zu erledigen weiß. Und zwar meist ohne besondern Plan. Wie es ihm gerade einfällt. Ganz improvisiert und eminent spielerisch. Da- zu arbeitet er am liebsten, ohne viel zu sprechen und möchte nur durch die Eleganz der Ausführung und durch die Tricks selber wirken. Auf die Ablenkung des Publikums durch lautes Getue, durch allerlei Mätzchen und Witzchen kommt es ihm weniger an. Die Hinlenkung des einzelnen Zuschauers zum Experiment und seine durchaus gebundene Teilnahme genügt ihm, wenn er auch gelegentlich durch einen Schuß Mystik etwas nachzuhelfen sucht. Seine Apparate sind größtenteils einfach und unscheinbar. Er liebt es, mit sehr wenig äußeren Hilfen auszukommen und den ganzen Erfolg auf seine Person zu konzentrieren. Der Chinese stützt sich dagegen mehr auf eine allgemeine Körpergeschicklichkeit und liefert für den Augenblick zwar schwer oder überhaupt nicht zu erklärende, im Grunde aber derbere Tricks, die er dann, wie gesagt, gern mit akrobatischen Exerzitien verbindet und in einen unversiegbaren Rede- strom einbettet. Seine Apparate sind vielseitig, umständlich und wohl- präpariert und spielen im Organismus der ganzen Vorführungen eine große Rolle. Während der Inder seine paar Gegenstände meist in einem verknoteten Tuche mit sich herumtragen kann, muß der Chinese jedesmal mehrere große Kisten und Körbe auf einer Karre her- anschleppen lassen. Unsere Gaukler arbeiteten in einem gewöhnlichen Zimmer, das Ausübende und Zuschauer zwanglos vereinigte. Wir saßen also höch- stens zwei Meter von ihnen entfernt. Und dennoch zeigten die Leute eine Reihe ganz und gar unerklärlicher Sachen. Der eine legte zum 459 Beispiel ein ziemlich dickes Filztuch platt auf den Boden und ging zunächst darauf spazieren. Dann faßte er es in der Mitte an, hob es langsam und vorsichtig in die Höhe und deckte eine große bren- nende Laterne auf. Ein anderer machte ein Tischlein-deck-dich, in- dem er aus einer nicht sehr großen Pappschachtel eine ganze Mahl- zeit mit dem dazugehörigen Geschirr für zwölf Personen herausholte und nachher wieder darin verschwinden ließ. Unter anderm eine große Terrine voll Suppe, die allein fast den Umfang der Pappschachtel hatte. Alles dicht vor unseren Augen und auf freistehendem Tisch ohne Decke. Ein Dritter durchschnitt einen starken Bindfaden, knotete die Ecken wieder zusammen und schlug dann die betreffende Stelle mit einem einzigen Faustschlage glatt. Und was der Unbegreiflich- keiten mehr waren. Frösche verwandelten sich in Goldfische, die Gold- fische in Steine und die Steine wieder in Frösche. Das kleinste Kind ließ aus einer leeren Tasse einen kleinen Baum wachsen und einen vollständig zerbrochenen Fächer durch bloßes Entfalten wieder heil werden. Bis an den Rand gefüllte Waschschüsseln kamen aus dem Nichts hervor, und kleine Häufchen Papierschnitzel fügten sich durch bloßes Anblasen wieder zusammen. Dazwischen zeigten die jüngeren Mitglieder der Truppe die schwierigsten Übungen mit einem Bau loser Porzellangefäße auf dem Kopf oder mit gefüllten Tassen auf Mund und Stirn. Und alle experimentierten mit Lust und Liebe und hinreißendem Temperament. Mit dem ganzen Charme eines schönen, durchkultivierten Körpers und der Sicherheit echten Könnens. Im Gegensatz zu den Kollegen vom Theater, spielten sie ihre kleinen Dialoge im natürlichsten Stil herunter: einfach, ohne Prätension und ohne Pathos. Sie redeten, wie ihnen der Schnabel gewachsen war, und entwickelten eine so beneidenswerte Suada, daß unsere Schwank- regisseure in Begeisterung geraten würden. Dabei kam den ganzen Abend hindurch kein Fehlgriff vor. Dem Chinesen mißlingt nie etwas. Ehe er das einzelne Kunststück nicht beherrscht, führt er es nicht öffentlich vor. Und wenn er es beherrscht, gelingt es ihm immer. Er kennt keine nervösen Hemmungen. Diese Gaukler liefern heute in China die beste, vielleicht die einzige wirklich gute Unterhaltung. Was sie machen, ist solidestes Kunsthandwerk: ist durchaus gekonnt und in allem ein echtes Ge- wächs des Landes. Sein Theater hat der Chinese verrohen lassen. Von der Musik ganz zu schweigen. Für die einst so volkstümlichen und aparten Puppen- und Schattenspiele fehlt ihm heute jedes Inter- esse. Einen Tanz kennt die chinesische Gesellschaft schon seit Jahr hunderten überhaupt nicht mehr. Als einzige Abendunterhaltung kommen — außer dem Theater natürlich — nur die recht einförmigen Vorträge der Singsong-girls in Betracht. Und das bißchen Hausmusik. Und dann eben die Gaukler.